Carl Dobrauz (1900-1963) gehört zu den interessantesten und eigenwilligsten Figuren der österreichischen Gitarristik im 20. Jahrhundert. Er nennt Heinrich Albert, Jakob Ortner und Miguel Llobet als seine Lehrer, im Bereich Musiktheorie Alfred Uhl, Richard Stöhr, Paul Königer und Gustav Donath. An der Wiener Staatsakademie absolvierte er 1926 die Reifeprüfung und 1934 die Lehrbefähigungsprüfung für Gitarre und Schulmusik.

Dobrauz stammt aus Steyr, besuchte dort Volks- und Staatsunterrealschule und später die K.u.k. Militäroberrealschule und Technische Militärakademie in Wien. Sein Vater Heinrich Dobrauz spielte Geige und vermutlich auch ein wenig Gitarre. Schon in der Familie wurde Kammermusik mit Gitarre gespielt.

Beruflich war Carl Dobrauz 1934 – 1938 im Schuldienst tätig (Oberrealschule und Gymnasium in Krems, Realgymnasium des Vereines „Neuland“ in Grinzing), nach der Absolvierung des Wehrdienstes als Offizier der Luftwaffe und anschließender Kriegsgefangenschaft lebte er ab 1946 freischaffend als Privatlehrer und Musiker. Trotz einer Kriegsverletzung am linken Zeigefinger – die Amputation konnte gerade noch vermieden werden – nahm er seine Konzerttätigkeit wieder auf. Er substituierte an der Staatsoper und bei den Wiener Symphonikern, spielte für RAVAG und Film. Eine feste Position im Wiener Musikbetrieb blieb im allerdings versagt, obwohl namhafte Persönlichkeiten sich dafür einsetzten.

Eines seiner wichtigsten Tätigkeitsfelder war die Kammermusik – Generalbassspiel, klassische Kammermusik vor allem mit Violine und Viola (Wiener Gitarrestreichtrio, 1927-1932) sowie zeitgenössische Musik. Seine Partner waren u.a. Luise Walker im Gitarrenduo, der Geiger Walter Schneiderhahn, der Gambist Wilhelm Winkler, die Cellistin Senta Benesch und diverse Wiener Streichquartette. Er wirkte an zahlreichen Uraufführungen mit: Kompositionen von Ferdinand Rebay, Alfred Uhl, Norbert Sprongl, Armin Kaufmann, Paul Königer, Paul Angerer und Friedrich Cerha. Uhl war sein Wohnungsnachbar, Rebay der Klavierlehrer seiner Tochter – beide widmeten ihm Kompositionen.

In seinen letzten Lebensjahren befasste er sich intensiv mit der doppelchörigen Laute.

Damit spielte er aber nicht nur das historische Repertoire und Generalbass (er wirkte auch 1948 bei Bachs Johannespassion unter Karl Böhm mit), sein besonderes Interesse galt ihrer Verwendung in der Neuen Musik. Rebay, Uhl, Angerer, Sprongl und Cerha verwendeten die Laute in Kammermusikwerken für Carl Dobrauz.

 

 

 

Neben der Laute benutzte er in der Kammermusik auch eine Quartgitarre – in Anlehnung an die Verwendung der Terzgitarre im 19. Jahrhundert, die besonders in der Münchner Szene des beginnenden 19. Jahrhunderts eine Renaissance erlebte.

Ein weiters Standbein war seine Arbeit für den Musikverlag Hladky. Dort besorgte er Neuausgaben der Etüden von Sor und Carcassi sowie die Publikation zeitgenössischer Musik. Eine umfangreiche Gitarrenschule (Grundlagen des Gitarrespiels) war geplant und liegt im Manuskript vor, zur Veröffentlichung kam es leider nicht mehr. Carl Dobrauz starb 1963 an den Folgen eines Verkehrsunfalls auf der Reise von Wien nach Steyr.

Sein Nachlass – darunter einige Texte zur Gitarre und vor allem die Schule – vermitteln das Bild eines unentwegt Forschenden, der stets neue Wege suchte. Sehr detailliert und akribisch beschreibt er die Bewegungsabläufe beim Gitarrenspiel, ohne aber im Mechanischen zu stecken zu bleiben, plädiert für die Einheit und Homogenität von technischen und musikalischen Vorgängen, wenn es z.B. um die Erarbeitung von Fingersätzen geht. Vorbild war wohl die Escuela Razonada von Emilio Pujol, die er ins Deutsche übersetzt hatte.

Carl Dobrauz war ein Philosoph der Gitarre.

Aus einem Vortrag „Probleme der Gitarristik“ (1947)

Aus der Gitarrenschule

 

 

 

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